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Weniger arbeiten heißt mehr tun

Artikel von Martina Vetrovcova



Seien Sie ehrlich zu sich selbst: Haben Sie sich bei der Arbeit schon einmal nutzlos gefühlt? Sie sitzen stundenlang an Ihrem Schreibtisch, fühlen sich von allem und jedem abgelenkt und schaffen es nicht, Ihre Aufgaben zu erledigen? Dieses Gefühl ist nicht ungewöhnlich. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die meisten Menschen von Zeit zu Zeit Konzentrationsschwierigkeiten bei der Arbeit haben (siehe z. B. Rock 2009). Das traditionelle 9-to-5-Arbeitsmodell, das in den meisten Unternehmen und Organisationen immer noch vorherrscht, hat sich nicht als hilfreich erwiesen, um Prokrastination zu verhindern und das oben genannte Problem ein für alle Mal zu lösen. Manche würden argumentieren, dass ein 8-Stunden-Arbeitstag ideal ist, weil er eine enorme Verbesserung gegenüber den ungeregelten und unmenschlichen 10- bis 16-Stunden-Arbeitstagen darstellt, die während der industriellen Revolution und noch viele Jahre danach die Norm waren (Hopkins 1982). Die Diskussion sollte sich jedoch eher darum drehen, ob ein solches willkürliches Modell nachhaltig ist. Die Interdependenzen zwischen Arbeitsmustern und Nachhaltigkeit sind auf den ersten Blick vielleicht nicht sichtbar, aber der Zusammenhang ist tatsächlich viel stärker, als man denkt.

Eine starre Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag ist nicht immer produktivitätsfördernd, und der Trend hat sich in den letzten Jahren zu flexibleren Arbeitszeiten verschoben. Führende Tech-Giganten wie Google und Facebook sind Paradebeispiele für diesen Ansatz, und es ist erwiesen, dass ein entspannteres Arbeitsumfeld die Kreativität und Produktivität fördert, ganz zu schweigen von der psychischen Gesundheit. Studien zeigen, dass vor allem Millennials nach Arbeitsmöglichkeiten suchen, die Flexibilität am Arbeitsplatz ermöglichen und eine gesunde Work-Life-Balance garantieren (Kohll 2018). Allerdings gibt es auch Argumente, die gegen Flexibilitätsregelungen am Arbeitsplatz sprechen, und wichtige Fragen beschäftigen Praktiker und Experten gleichermaßen. Wie können Arbeitgeber sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter die bestmöglichen Ergebnisse erzielen, ohne bewusst und freiwillig viele Stunden im Büro zu verbringen oder Arbeit mit nach Hause zu nehmen? Wie können sie ihre Mitarbeiter dazu motivieren, sich auf die Arbeit zu konzentrieren und in kürzerer Zeit mehr zu erledigen? Welche Maßnahmen können Führungskräfte ergreifen, um Trittbrettfahrerverhalten am Arbeitsplatz zu verhindern und die Arbeitsmoral zu steigern? Und wie sollte die Produktivität gemessen werden?


Immer mehr Autoren bemühen sich, die perfekte Antwort auf diese Fragen zu finden, indem sie Arbeitsgewohnheiten analysieren und nach Möglichkeiten suchen, den Kreislauf der Prokrastination zu durchbrechen. Cal Newports 2016 erschienenes Buch Deep Work: Rules for Focused Success in a Distracted World (Regeln für konzentrierten Erfolg in einer abgelenkten Welt) bietet einzigartige Einblicke, wie man sich auf die Arbeit konzentrieren kann, ohne sich ablenken zu lassen. Das Hauptargument von Newport ist, dass die meisten Menschen heutzutage eine oberflächliche Arbeit verrichten, die er als "nicht kognitiv anspruchsvolle, logistische Aufgaben, die oft unter Ablenkung ausgeführt werden" (Newport 2016) definiert. Tiefgründige Arbeit hingegen erfordert einen Zustand ablenkungsfreier Konzentration, der in unserem heutigen Arbeitsumfeld immer seltener wird und daher eine äußerst wertvolle Fähigkeit darstellt. Die sozialen Medien tragen in erheblichem Maße dazu bei: Es ist erwiesen, dass zu viel Zeit in sozialen Netzwerken verbracht wird, was zu Produktivitätseinbußen führt und - schlimmer noch - süchtig machen kann. Auch der vorherrschende Trend, über verschiedene Kommunikationskanäle ständig erreichbar zu sein, lenkt uns ab. Newport bietet eine Reihe von Methoden an, wie wir unsere Arbeitsgewohnheiten effektiv ändern können. Dazu gehören das Abschalten von Social-Media-Benachrichtigungen oder der komplette Ausstieg aus den sozialen Medien, das Setzen realistischer Ziele, die Aufteilung des Tages in Zeitblöcke und die Entwicklung von Routinen und Ritualen, aber auch das Einlegen sinnvoller Pausen und das Aushalten von Langeweile.

Die Förderung und Pflege einer ausgeprägten Arbeitsmoral am Arbeitsplatz kann sowohl für das Unternehmen als auch für den Einzelnen enorme Vorteile mit sich bringen. Mit weniger Ablenkung können die Mitarbeiter in kürzerer Zeit bessere Ergebnisse erzielen, früher nach Hause gehen und ein erfülltes und ausgeglichenes Leben führen. Die Messung der Qualität des Outputs anstelle der Quantität der am Schreibtisch verbrachten Zeit wird die Mitarbeiter dazu ermutigen, ihre Ressourcen nicht länger zu verschwenden und sich den Wert einer konzentrierten und achtsamen Arbeit zu eigen zu machen. Solche Änderungen können zu einer langfristigen und nachhaltigen Veränderung der Arbeitsgewohnheiten führen, die nicht nur die Effektivität und Effizienz erhöht, sondern auch zu einem glücklicheren und gesünderen Arbeitsumfeld beiträgt.


Achtsames Arbeiten kann sich stark auf mehrere Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) auswirken, insbesondere auf SDG 3 (Gesundheit und Wohlbefinden) und SDG 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum). Ständige Ablenkung und Fragmentierung unserer Konzentration sind zum neuen Normalzustand geworden, was sich nicht nur negativ auf die individuelle Produktivität auswirkt, sondern auch unsere psychische Gesundheit beeinträchtigen kann. Anders ausgedrückt: Bessere Konzentration ist eine wichtige Triebfeder für Spitzenleistungen, die den Menschen am Ende des Tages das Gefühl gibt, etwas erreicht zu haben, die es ihnen ermöglicht, ihre wohlverdiente Freizeit zu genießen, und die sich positiv auf ihre körperliche und geistige Gesundheit auswirkt. Noch wichtiger ist, dass die Fähigkeit, Ablenkungen zu meistern und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, der internationalen Gemeinschaft helfen wird, eine gerechte und nachhaltige Welt für alle zu schaffen.



Quellen


Hopkins, Eric (1982): “Working Hours and Conditions during the Industrial Revolution: A Re-Appraisal,” in: The Economic History Review, Vol. 35, No. 1, pp. 52-66.


Kohll, Alan (October 3, 2018): “Why Millennials Are Good For Employee Well-Being,” Forbes, https://www.forbes.com/sites/alankohll/2018/10/03/why-millennials-are-good-for-employee-well-being/#2d10401b1da5 [26.04.2019].


Newport, Cal (2016): Deep Work: Rules for Focused Success in a Distracted World, Grand Central Publishing.


Rock, David (2009): Your Brain at Work: Strategies for Overcoming Distraction, Regaining Focus, and Working Smarter All Day Long, HarperBusiness.

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